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Über 7 Brücken musst du fahren


Auf dem Shimanami Kaido: Über 7 Brücken nach Shikoku


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Manchmal ist man wie von Fernweh krank

Manchmal sitzt man still auf einer Bank

Manchmal greift man nach der ganzen Welt

Manchmal meint man, dass der Glücksstern fällt
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(Peter Maffay: Über 7 Brücken musst du geh`n)


Radfahren in Tokyo bzw. Japan

Die Stadt Tokyo ist jetzt nicht unbedingt als fahrradfreundlich bekannt.
Die Straßen und Gehwege sind zwar breit und gut gebaut, die Autos fahren langsam und jeder achtet aufeinander, aber es gibt kaum eigene Wege für Fahrräder und vor allem ist natürlich immer ne Menge los auf allen Straßen und Wegen. Da will man sich jetzt nicht unbedingt mit dem Fahrrad durchschlängeln müssen.  


Im Umland Tokyos sieht es da etwas besser aus. So sind entlang der großen Flüsse am Stadtrand (neben den vielen Baseball- und Sport-Feldern) lange Radwege, die von Rennradfahrern oder Familien für Wochenend-Ausflüge genutzt werden.


Der Shimanami Kaido

Aber es wäre nicht Japan, wenn es hier nicht auch ein besonderes Highlight gäbe, bei dem alle Radfahrer voll auf ihre Kosten kommen und eine großartige Fahrradtour unternehmen können.

Der Shimanami Kaidō (jap. しまなみ海道, dt. Insel-See-Weg) ist eine 70 Kilometer lange Straße, die Japans Hauptinsel Honshu mit der viertgrößten japanischen Insel Shikoku verbindet – der Weg führt über sechs kleine Inseln (Mukaishima, Innoshima, Ikuchijima, Omishima, Hakatajima und Oshima) und dementsprechend 7 Brücken. Die 1999 eröffnete Maut-Straße kann per Auto oder Bus befahren werden, aber ihre Besonderheit ist, dass bei ihrem Bau nicht nur an die Auto­fah­rer gedacht wurde, son­dern auf den Brü­cken eige­ne Auf­fahr­ten und Spu­ren für Fahr­rä­der und Fuß­gän­ger ange­legt wurden. Und auch die Straßen über die Inseln haben zum Teil eigene, separate Radspuren. 

Mittlerweile ist der Name Shimanami Kaido zur Bezeichnung für die berühmte Fahrrad-Route selbst geworden. 

Nicht ohne Grund hat der Shimanami Kaido den Ruf, eine der schönsten Radrouten der Welt zu sein (von CNN Travel wurde er zu einem der 7 besten Radwege der Welt gekürt und der französische Guide Michelin hat ihm einen Stern verliehen). Er führt vorbei an Küsten, Stränden, Feldern und idyllischen Orten, bietet eine spektakuläre Aussicht auf Landschaften und Inselgruppen und verbindet die natürliche Schönheit der Natur mit der baulichen Schönheit der verschiedenen Brücken, die die Inseln miteinander verbindet. 

Noch dazu ist die Route sehr komfortabel zu befahren. Die gesamte Strecke ist relativ flach, nur für die langen An- und Abfahrten zu den Brücken sind höhere Steigungen zu überwinden. Eine blaue Linie auf dem gesamten Weg sorgt dafür, dass man die Route nicht aus dem Augen verliert und sich nicht auf den Inseln verfährt (ist uns trotzdem 1 oder 2x passiert).

Start- bzw. Zielpunkt der Fahrradstrecke sind die Orte Onomichi auf Honshu und Imabari auf Shikoku, die Tour kann von beiden Richtungen aus unternommen werden.

Die Länge der ca. 70 Kilometer kann in einer Ganztagestour überwunden werden, aber um die Landschaften und alle anderen Vorzüge zu genießen, empfiehlt es sich die Tour auf 2 Tage aufzuteilen.

 

Wir starteten unsere Fahrradtour in Onomichi und legten bei ca. der Hälfte der Strecke auf der Insel Omishima eine Übernachtung ein, bevor wir am 2. Tag nach Imabari weiterfuhren.


Holpriger Start: 2x Glück im Unglück

Trotz sorgfältiger Auswahl des idealen Wochenendes (wir entschieden uns dank Feiertag mal wieder für ein verlängertes Wochenende zum Sommerende hin) stand unsere Fahrradtour auf wackeligen Füßen.

Denn kurz bevor es losgehen sollte, wurde eine Taifun-Warnung für Japan ausgerufen. Taifun "Chanthu" bewegte sich direkt aus der Gegend, in die wir fahren wollten, Richtung Tokyo. D.h. irgendwo auf der Stecke mussten wir ihm begegnen. Würden wir in Tokyo ausharren, würden wir es nicht mehr rechtzeitig zum Shimanami Kaido schaffen, bevor das Wochenende vorbei war, aber würden wir zu früh losfahren, könnte die Zugstrecke unterwegs gesperrt werden. Schlussendlich ging es sich genau so auf, dass wir noch unbesorgt aus Tokyo aufbrechen und nach Okayama fahren konnten, bevor der Taifun eintraf. Dort blieben wir für eine Nacht und hatten es am nächsten Morgen nicht mehr weit nach Onomichi, unserem Startpunkt der Fahrradtour.

Das Gute an einem Taifun? Am Tag danach ist das Wetter immer wunderschön! 

In Onomichi erwartete uns dann leider die nächste negative Überraschung. Wegen COVID und dem Feiertags-Wochenende blieben die offiziellen Fahrradverleihe (die es sonst in großer Anzahl gibt) geschlossen. In unserer Naivität und dank unserer schlechten Japanisch-Kenntnisse war diese Info natürlich an uns vorbeigegangen.


Die ganze Reise drohte also erneut ins Wasser zu fallen, wendete sich aber noch zum Glücksfall, als wir einen privaten Fahrradverleih fanden, der uns seine zwei letzten, nicht vor-reservierten Fahrräder zur Verfügung stellte.

So starteten wir mit zwei extrem guten Fahrrädern bei bestem Wetter unsere fantastische 2-tätige Radtour über den Shimanami Kaido!


Meine Highlights der Radtour

1. Die Fahrräder

Zugegeben, ich hatte ein wenig Respekt vor diesen "Profi"-Fahrrädern mit den dünnen Rädern und tiefen Lenkern. Aber schon bald genoss ich die Vorzüge des ultra-leichten, schnellen Rads, mit dem man auch die Steigungen der Brücken-Auffahrten ohne große Probleme bezwingen konnte. Und dank gepolsterter Sattel hielten sich auch die Schmerzen beim Sitzen am 2. Tag in Grenzen. 

2. Die Brücken

Die Überquerung der Brücken bereitete mir die größte Freude: Sie markierten die einzelnen Etappenziele (erreichte man eine Brücke, hatte man eine Insel überquert) und die Aussicht von hier oben auf das Meer und die Inseln war die perfekte Belohnung für den anstrengenden Anstieg der Brücke.

3. Die Präfektur Ehime

Während es wegen Corona in den meisten Präfekturen Japans (allen voran Tokyo) den Restaurants und Bars seit Monaten verboten war, Alkohol auszuschenken und länger als 19 Uhr offen zu haben, war dies in der Präfektur Ehime (die wir mit Betreten der 4. Insel erreichten) nicht der Fall. Da sich dort unser Hotel und damit das Ziel des 1. Tages befand, war es dort möglich, sich nach der anstrengenden Tour mit reichlich Essen und Trinken zu belohnen.

Aber auch abgesehen vom Essen war die Präfektur Ehime und vor allem ihre Bewohner sehr freundlich und aufgeschlossen uns gegenüber. Vielleicht lag es an unseren Team-Japan-Olympics-T-Shirts oder an der Solidarität der Radfahrer untereinander, aber noch nie wurden wir so oft gegrüßt oder uns zugewunken. 

4. Die Ausblicke

5. Das Fahrrad-Hotel

Wir übernachteten in einem Hotel, das extra für Fahrradfahrer gebaut und designt wurde (z.B. mit Haken zum Aufhängen der Räder im Zimmer).

6. Die Meeresnähe

70 km lang entlang der Küste Radfahren – immer begleitet von einer salzigen Meeresbrise: Was gibt es Besseres?

7. Summer Feeling

Eis-Essen, Pause am Strand, Sprung ins Meer: Dank des Traum-Wetters und des warmen Klimas in dieser Gegend brachte die Fahrradtour nochmal richtige Sommerstimmung zum Vorschein. 

8. Die Insel Shikoku

Durch die Fahrt über den den Shimanami Kaido konnten wir die viertgrößte der fünf Haupt-Inseln Japans erreichen, die uns nach Honshu, Kyushu, Hokkaido und Okinawa noch auf unserem Japan-Adventure gefehlt hatte. 


Unterwegs auf Shikoku

Durch das verlängerte Wochenende hatten wir noch einen Abend und einen Tag zum Sightseeing auf Shikoku zur Verfügung.

Der Abend in Imabari führte uns zum Sonnenuntergang an die Burg Imabari und zur Spezialität Shikokus: Udon-Nudeln.

Angefixt vom Anime-Film "Chihiros Reise ins Zauberland" fuhren wir am nächsten Tag nach Matsuyama (jap. 松山, dt. „Kiefernberg“), die größte Stadt Shikokus.

Im Zentrum der Stadt steht das "Dōgo Onsen" – das vermutlich älteste Thermalbad Japans (über 3.000 Jahre alt). Das Gebäude und die Umgebung hatten den japanischen Regisseur Hayao Miyazaki zum Setting des Films "Chihiros Reise ins Zauberland" inspiriert. Das historische Badehaus wird zwar seit 2019 renoviert (die Bauarbeiten dauern planmäßig 7 Jahre), aber trotzdem konnten wir ein bisschen was von der speziellen Magie des Ortes spüren.

Unsere Reise beendeten wir mit dem Besuch eines benachbarten Onsens – ebenfalls ein altes, traditionelles Badehaus. Ein solches historisches Badehaus hat dann auch nicht mehr viel mit einem Spa- oder Wellness-Ort gemeinsam.
Es gibt lediglich ein Becken mit heißem, dampfendem Wasser in der Mitte und außerherum ca. 20 offene Waschstellen, um sich vor dem Gang ins Wasser ausgiebig zu säubern. Es war trotzdem (oder gerade deshalb) einer der Onsen-Besuche, der mir am meisten in Erinnerung bleiben wird.


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Kommentare: 2
  • #1

    Lissi (Donnerstag, 28 Oktober 2021 10:51)

    Ihr seid wirklich zu beneiden.
    Genießt die letzten Wochen.

  • #2

    Maria (Donnerstag, 28 Oktober 2021 15:35)

    Bei all diesen wunderbaren Eindrücken fällt sogar das Radeln von 70 Kilometern leicht. Da schwitzt und schnauft man doch gerne!