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KFC & Romantik: Weihnachten in Japan


(Vor-)Weihnachtszeit in Tokyo


🎶

Those Christmas lights

Light up the street

Down where the sea and city meet

May all your troubles soon be gone

Oh, Christmas lights, keep shining on

🎶

(Coldplay: Christmas Lights)


Gerade noch die Luftentfeuchter des feucht-schwülen Sommers abgebaut – zack, ist es auch schon Winter. Zeit, den Luftbefeuchter gegen die trockene (Heizungs-)Luft wieder aus dem Schrank zu holen.

 

Der Park, in dem wir im Oktober noch Picknick gemacht hatten, besteht jetzt aus einer riesigen (künstlichen) Eislauffläche, und obwohl die letzte Herbströte noch die Bäume ziert, steht plötzlich Weihnachten vor der Tür. 


Weihnachten und Japan? Das ist so ne Sache.

 

Einerseits feiert man in Japan kein Weihnachtsfest.
Es gibt über Weihnachten keine offiziellen Feiertage, es gibt keine große Familienfeierei und es gibt keinen religiösen Bezug. Oft wird von 24. bis 26.12. ganz normal weitergearbeitet, die Läden haben auch die ganze Zeit auf. Aber das ist ja in Tokyo eh 24/7 der Fall. 

 

Andererseits hat sich Japan natürlich trotzdem seine ganz eigenen Weihnachtstraditionen geschaffen und davon nicht gerade wenige.


Romantik & Paarzeit

Während Weihnachten in Deutschland und vielen anderen Ländern als großes Familienfest zelebriert wird, ist es in Japan vielmehr ein Tag für junge Paare und Verliebte. Heiligabend gilt in Japan als der romantischte Tag des Jahres. Der perfekte Weihnachtsabend für japanische Pärchen beinhaltet ein Candle-Light-Dinner in einem Restaurant sowie einen Spaziergang entlang der weihnachtlich beleuchteten Straßen und endet in einem Hotelzimmer. Da sich die wenigsten jungen Japanerinnen oder Japaner eine eigene Wohnung leisten können, wohnen sie meistens noch zu Hause oder im (Studenten-)Wohnheim. Deshalb beschenkt man sich an diesem besonderen Tag gerne mit ein bisschen Privatsphäre durch eine Nacht im Hotelzimmer.

Ausgangspunkt dieser Romantik-Version des Weihnachtsfestes war wohl eine Frauenzeitschrift, die während des japanischen Wirtschaftsbooms der 80er Jahren erstmals Weihnachten als den romantischten Tag des Jahre anpries. Damals ahnte man jedoch noch nicht, zu was für einem finanziellen und organisatorischen Stress ein solches Ritual in einer überfüllten Großstadt wie Tokyo führen sollte. Hotels und Restaurants sind natürlich lange im Voraus ausgebucht.


Weihnachts-Deko überall

Ich weiß nicht, was zuerst da war: Die Tradition des romantischen Weihnachtsspaziergangs oder die weihnachtliche Straßenbeleuchtung. Denn bei dem, was hier in der ganzen Stadt an Lichtern und Dekorationen aufgefahren wird, wird einem ein Spaziergang durch die Stadt regelrecht aufgezwungen. Bäume, Kaufhäuser, Gebäudefassaden – alles wird in ein riesiges Lichtermeer verwandelt, "Winter Illumination" genannt.

Neben der Vorliebe für Lichterketten stehen die Japanerinnen und Japaner aber auch grundsätzlich auf Kitsch und Weihnachtsdeko, oft nach amerikanischem Vorbild. So sind auch die Läden voller Rentier-Kostüme oder Weihnachtsmann-Bärte. Die Geschenke bringt übrigens "Santa Kurosu" (Santa Claus).

Da die Japaner*innen ja immer sehr konsequent und geregelt sind in allem, was sie tun, erklingt exakt seit 1.12. in jedem Supermarkt, jedem Kaufhaus und vielen Restaurants Weihnachtsmusik, 24 h am Tag, 7 Tage die Woche.
Exakt am 25.12. verschwindet dann die komplette Weihnachtsdekoration wieder aus den Läden, um Platz zu schaffen für das Neujahrsfest – das wichtigste Familienfest Japans.


Traditions-Gerichte

Kulinarisch lässt sich Weihnachten in Japan auf 2 Worte reduzieren: Huhn & Kuchen. Beide Traditionen stammen ebenfalls noch aus der Zeit des Wirtschaftsbooms.

 

Beginnen wir mit dem Huhn: Klassischerweise isst man an Weihnachten Fried Chicken – natürlich nicht selbst gekocht, sondern fertig gekauft bei der Fast-Food-Kette Kentucky Fried Chicken
Der Legende nach, begann diese Tradition, als einem Amerikaner am Weihnachtstag in Japan das frittierte Hähnchen bei KFC als beste Alternative zu einem Truthuhn erschien, den er hier nicht auftreiben konnte. 1974 startete KFC daraufhin die Marketingkampagne „Zu Weihnachten Kentucky“ (jap. "kurisumasu niwa kenntakii"). Seit 1985 besteht das klassische KFC-Weihnachtsmenü für Familien aus einem großen Party-Eimer, gefüllt mit Fried Chicken, Salat, einer Schokotorte und weihnachtlichem Geschirr. Und wie das bei Traditionen so ist, ist die Nachfrage dort so hoch, dass man wochenlang im Voraus vorbestellen und sich in langen Schlangen einreihen muss, um sich sein Weihnachtsmenü abzuholen. 

Doch das Huhn steht nicht nur am Weihnachtsabend auf dem Speiseplan, sondern ist auch in der Vorweihnachtszeit das Highlight oder besondere Weihnachtsgericht in vielen Restaurants (wie in Deutschland die Ente oder Gans) – mal als ganzes oder halbes Hendl, mal gefüllt mit Trüffel und mal als Menü mit Champagner (das Menü im Bild links oben kostet einfach mal schlappe 250 Euro, also fast Wiesn-Preise).

Auch das 2. Traditionsgericht – der Christmas Cake (jap. “kurisumasu keeki”) – hat seinen Ursprung in der Amerika, wo er als Kuchen aus Mürbeteig mit Erdbeeren entdeckt und adaptiert wurde. Über die Jahre wurde das Rezept jedoch verändert. Der klassische japanische Christmas Cake besteht nun aus lockerer, saftiger Biskuitmasse mit Erdbeeren und viel Sahne. Mittlerweile gibt es ihn in jeder erdenklichen Variante. Besonders die verzierten, viel dekorierten Torten sind sehr beliebt und werden an jeder Ecke verkauft bzw. zum Vorbestellen angeboten. Am 24.12. kostet der Cake übrigens den vollen Preis, am 25. nur noch die Hälfte und am 26. noch weniger. Darauf basierend haben die Japaner das chauvinistische Sprichwort "Frauen sind wie Christmas Cake, ab 25 nichts mehr wert." kreiert, wie Ulis Kollegen ihm erklärten.

Apropos Ulis Arbeit:
Für die digitale Firmen-Weihnachtsfeier darf jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter eines von 10 Gerichten auswählen, das ihr bzw. ihm zur Feier nach Hause geliefert wird. Man beachte den Unterschied zwischen geliefertem Lebensmittel und "Serviervorschlag":


Deutsche Weihnachtsbräuche in Japan

Neben dem Lammkarree der Marke Dallmayr (das ihr auf der Auswahl vielleicht entdeckt habt) ist Deutschland auch in Form des Stollens und des Christkindlsmarktes als weihnachtliches Vorbild in Japan vertreten. Auf den japanischen Weihnachtsmärkten gibt es standardmäßig Stände mit Bier, Wurst (wenn auch nur selten in Form einer Bratwurstsemmel), Glühwein (mit einer größeren Zimtstange als Alkohol im Becher), Nussknacker-Figuren, Käthe-Wohlfahrt-Produkten und Stollen (und wenn man Glück hat Lebkuchen). Essen und Trinken wird selbstverständlich in bzw. auf Plastikgeschirr serviert.

 

Die ausgelassene Weihnachtsstimmung auf den Christkindlsmärkten hält sich in Grenzen. Das liegt sicherlich an Corona und den damit verbundenen Einschränkungen, ist meiner Meinung nach aber auch den kleinen Bechern voll Glühwein geschuldet.  

Trotz der Omnipräsenz des Weihnachtsfests in Tokyo ließen sich Lebkuchen und Plätzchen sowie eine Flasche Punsch oder Glühwein nur sehr schwer auftreiben. Um so glücklicher waren wir über Pakete von zu Hause voller Plätzchen, Lebkuchen und Glühweingewürz. Die restliche Adventsstimmng erzeugten wir selbst – mit der Muli-Weihnachtstradition der "Bread Panettone Pudding Tart" von Jamie Oliver.


Auch den Brauch des Adventskalenders kennt man in Japan nicht. So konnten wir beobachten, wie auf dem Weihnachtsmarkt die Säckchen mit Nummern einzeln verkauft wurden, damit man z.B. das Geschenk passend zum Alter des Kindes im entsprechenden Säckchen verpacken kann.

 

Aber auch hier war auf meine Mama Verlass: So müssen wir auch in Japan nicht auf die Schaller-Tradition des Lotto-Adventskalenders verzichten.


Sind wir nun in Weihnachtsstimmung?

Hm, einerseits ja, dank Musik, Spaziergängen im Lichtermeer und freudig-erwartender romantischer Stimmung der Japanerinnen und Japaner. 

Andererseits fehlt uns in Tokyo neben Freunden, Familie, Dominosteinen und dem Stress der Weihnachtsgeschenkesuche in letzter Minute vor allem das winterliche Wetter. Im Moment ist es hier einfach noch ein paar Grad zu warm für die richtige Weihnachtsstimmung. Schnee ist noch gar nicht in Sicht. 

 

Deshalb haben wir nach langem Überlegen beschlossen, über Weihnachten und Neujahr in den kalten, schneebedeckten Norden Japans zu fliegen, nach Hokkaido – für das richtige Weihnachts- und Winterfeeling!

 

An Weihnachten werden wir ganz traditionell Fried Chicken von KFC essen und uns einen Christmas Cake besorgen – aber natürlich erst am 25. oder 26.12., schließlich sind wir immer noch bayerische Schwaben.


Ich wünsche euch allen ein wundervolles Weihnachtsfest!


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Kommentare: 4
  • #1

    Steffen (Sonntag, 20 Dezember 2020 15:01)

    Euch auch ein schönes Weihnachtsfest mit Fried Chicken von KFC und Christmas Cake! ���

  • #2

    Lissi (Sonntag, 20 Dezember 2020 19:03)

    Das wünschen wir euch auch.
    Bei uns gibt es heuer Fondue für zwei.

  • #3

    Maria (Montag, 21 Dezember 2020 09:04)

    Frauen sind wie christmas cake, so schön, so bunt, so appetitlich. Lasst ihn euch schmecken am 26.!

  • #4

    Ina (Donnerstag, 07 Januar 2021 05:56)

    Ich habe es erst heute gelesen. Herzlichen Dank für die Beschreibungen und nachträglich noch HAPPY NEW YEAR 2021. Passt auf Euch auf und bleibt glücklich und gesund ��.