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18 Tage Tokyo: So langsam wird es ernst


So langsam wird es ernst!


🎶

Wage Schritt auf neues Land, 

werde wieder Debütant.

Alles rasend unbekannt, 

alles Rohdiamant.

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(Mia: KopfÜber)


Uli ist am 3. Februar ins japanische Arbeitsleben eingetaucht. Eingereiht zwischen Tausenden Anzug- und Krawattenträgern fährt er nun mit der U-Bahn durch Tokyo zu seinem Schreibtisch mitten im 300-Personen-Großraumbüro – als einziger Nicht-Asiate. 

 

Zu seinem ersten Arbeitstag haben wir die vom Transport zerknitterten Hemden gebügelt und die Gastgeschenke für Ulis Kollegen und Vorgesetzten vorbereitet:

  • Gin aus dem Schwarzwald,
  • Schokolade (Yogurette und Toffifee), die es in Japan nicht zu kaufen gibt, aber wohl sehr beliebt sind,
  • und Pumpernickel, was ich selbst zwar noch nie gegessen habe, aber von den Japanern sehr gemocht wird.

Geschenke sind ein wichtiger Teil der japanischen Kultur, deshalb mussten wir ein paar Dinge beachten:

  1. Lebensmittel aus der Heimat sind beliebte Geschenke, da in den japanischen Wohnungen kaum Platz für Firlefanz ist und in einer Kultur, in der man sich oft Geschenke überreicht, müssen diese natürlich gut nutzbar sein. 
  2. Man darf nichts in der Anzahl 4 oder 9 schenken, da diese Zahlen Unglück bzw. Tod verkörpern, ebenso wie die Farben Weiß und Schwarz.
  3. Neben dem Geschenk spielt auch die Verpackung eine wichtige Rolle, mit den Farben und der Gestaltung können Gefühle übermittelt werden und es zeugt von Wertschätzung und Aufmerksamkeit, wenn man sich besondere Mühe macht. Geschenke in einer Tüte zu überreichen, ist ebenfalls üblich.
  4. Das Geschenk überreicht man mit beiden Händen und sagt dazu, dass es sich nur um eine Kleinigkeit handelt. Es wird meist nicht in der Anwesenheit des Schenkenden ausgepackt.

Also war für uns Geschenke-Einpacken angesagt! Mit ein paar Worten auf Japanisch versehen, haben wir den Geschenken noch einen persönlichen Touch gegeben.

Mit den Geschenktüten ausgestattet, haben wir Uli zu seinem ersten Arbeitstag losgeschickt, ein bisschen wie bei einem ersten Schultag. 

Für Uli heißt es jetzt: Gesichter merken, Namen lernen (erstmal Vor- und Nachname unterscheiden lernen), viele Hände schütteln (oder sich verbeugen) und die Systeme und Arbeitsweisen in Japan verstehen. Dafür bekommt er jetzt auch jede Menge Leute an die Hand, die ihm weiterhelfen, die mit ihm Mittagessen, die ihn zu Abendevents einladen usw.

 

Zum ersten Mal, seit wir in Japan sind, ist Team Muli nun also getrennt voneinander unterwegs. Für uns beide dann doch ein wenig ungewohnter als gedacht.


Und was wird jetzt aus mir?

Am 17. Februar beginnt mein Japanisch-Sprachkurs für 6–8 Wochen an der Genki Japanese and Culture School: 5 Tage die Woche, vier 60-Min.-Einheiten pro Tag + Nachbereitung, also bin ich dann ziemlich gut beschäftigt. Entschieden hab ich mich für diese Schule, da sie ihren Schwerpunkt auf die praktische Anwendung der Sprache gelegt hat, d.h. es wird sehr viel Japanisch gesprochen. Außerdem ist das Alter der Schüler etwas höher als an anderen Schulen, die sich z.B. mehr auf Austauschschüler oder Studenten konzentrieren.

 

Bis dahin und währenddessen wollte ich eigentlich mein Leben genießen: lesen, schreiben, Tokyo erkunden, ankommen.

 

Aber dann kam da diese tolle Stellenanzeige bei einem coolen Unternehmen daher und ich musste mich einfach bewerben. Als ich dann tatsächlich direkt zum Bewerbungsgespräch eingeladen wurde, hieß es für mich erstmal: vorbereiten, englisches Vokabular draufschaufeln, sich einlesen, Hotelzimmer für Skype-Gespräch umbauen. Das Job-Interview war dann überraschenderweise auf Deutsch, der anschließende schriftliche Test auf Englisch.

 

Danach hab ich mich erstmal riesig gefreut, dass es geschafft ist, ich jetzt genug geleistet hab und wieder ne Runde chillen darf. 3 Stunden später kam dann die Einladung zur nächsten Interview-Runde ... Einerseits: Wuhu! 🎉 Anderseits wollte ich das Ganze doch deutlich langsamer angehen lassen ...


Einkaufen in Japan

Zur Belohnung bin ich dann erstmal Shoppen gegangen. Shoppen heißt hier in Tokyo (zumindest in meiner aktuellen Wahrnehmung):

  • in ein x-beliebiges von Tausenden Hochhäusern gehen,
  • in ein x-beliebiges Stockwerk von vielen fahren,
  • ein x-beliebiges Geschäft von Hunderten auswählen,
  • sich für einen Gegenstand von unzähligen Gegenständen entscheiden,
  • ihn einem von unzähligen Mitarbeitern, die sich alle verbeugen und dich willkommen heißen, geben
  • (dabei ein schlechtes Gewissen, den anderen gegenüber haben),
  • warten, bis der Gegenstand in unzählige Schichten Verpackung eingewickelt wurde,
  • bezahlen
  • und irgendwann eine Tüte überreicht bekommen.

Ich habe wirklich keine Ahnung, wie man entscheiden soll, wo man zum Einkaufen hingehen soll, wenn es von allem so dermaßen viel gibt. Aber vielleicht geht man einfach zu dem Ort, der am nächsten liegt.

 

Als Ersatz für meine geliebte Diddl-Tasse, die den DHL-Transport leider nicht überlebt hat, habe ich mir als ersten in Japan gekauften Gegenstand eine wunderschöne Tasse gegönnt. Ich freue mich auf meinen ersten Kaffee, den ich in unserer Wohnung aus ihr trinken werde. Eingeweiht habe ich sie mit französischem Wein.


Möbel kaufen

Etwas schwieriger gestaltete sich das Kaufen von Möbeln.

 

Etwas fies ist es schon, wenn man gerade erst alles in München verkauft hat und jetzt genau das gleiche wieder benötigt. Aber möblierte Wohnungen sind in Tokyo nicht üblich (wie bei uns in Deutschland auch).

Ein paar Vorteile haben japanische Wohnungen:

  • Die Küche ist schon drin.
  • Die Schränke sind oft schon direkt in die Wände eingelassen, was super praktisch ist, weil man keinen Platz im Zimmer verliert, die Schränke dadurch auch wunderbar erdbebensicher sind und man keine extra Schränke kaufen muss.
  • Damit man keine Löcher bohrt, sich häufig Lampenhalterungen, Systeme zum Aufhängen von Bilder oder Vorhängen etc. bereits vorinstalliert. (Der Nachteil: Man darf keine Löcher bohren, wenn man welche benötigt.)

Erstmal haben uns ein paar Online-Seiten angesehen, wo gebrauchte Möbel angeboten werden. (Solche Seiten werden vor allem von Expats, weniger von Japanern, genutzt.) Aber wie in Deutschland auch, lohnt sich dieses Angebot eigentlich nur, wenn man etwas Einzelnes sucht oder wenn man Zeit hat, um immer wieder zu stöbern. Da wir aber die komplette Grundausstattung brauchten und diese sofort ab Einzug, wurden wir nicht wirklich fündig.

 

Und um ehrlich zu sein, wollen wir uns hier auch wohlfühlen und uns deshalb richtig, nach unseren Wünschen entsprechend einrichten. Wir hatten keine Lust mehr auf Kompromisse, auch wenn uns bewusst ist, dass wir uns für die begrenze Dauer hier in Tokyo nichts übermäßig Teures anschaffen werden.

 

Also ab in den Möbelladen mit uns!

 

Fündig wurden wir bei Nitori, vom Typ ähnlich wie IKEA, die Sachen dort haben uns sogar noch einen Ticken besser gefallen. Wie in einem Möbelhaus in Deutschland testet man alle Couchen durch, freut sich, wenn die Hausstaubmilben-Allergiker-geeignete Bettdecke mit einem Symbol gekennzeichnet ist, diskutiert über Weichheitsgrade, Materialien und Farben und wählt dann das Beste aus ...

Wir haben uns als ersten Schwung Möbel entschieden für eine Couch, ein Bett mit Matratze, einen Esstisch mit zwei Stühlen, einen Teppich, einen Fernsehschrank und einen Küchenschrank.

 

Das meiste davon wird innerhalb einer Woche geliefert, zwei Teile erst eine Woche später. Mithilfe eines englisch-sprechenden Mitarbeiters konnten wir den Kauf ganz gut abwickeln, haben einige Seiten voller Infos auf Japanisch unterschrieben (z.B. dass während der Möbelieferung kein anderer Dienstleister in der Wohnung sein darf) und freuen uns nun auf unsere Möbel!


Und dann braucht man aber ja auch wieder Elektrogeräte wie Kühlschrank, Waschmaschine oder Fernseher. 

 

Hier bieten die japanischen Läden praktischerweise etwas Schlaues an: "Welcome-Sets", die mehrere dieser benötigten Dinge beinhalten, die durch das Set dann deutlich vergünstigt sind. Dieses Angebot macht total Sinn, weil jeder diese Sachen braucht, sobald er aus- oder umzieht. 

Die Sets variieren sehr stark, was dem genauen Inhalt betrifft, mal mit Bügeleisen, mal mit Fernseher. 

 

Die meisten Sets kamen für uns nicht in Frage, da wir verwöhnten Deutschen z.B. Bock auf nen richtig großen Kühlschrank hatten und in den klassischen japanischen Sets diese immer viel kleiner sind. Bei Nitori wurden wir deshalb nicht fündig und entschieden uns für ein Set bei Bic Camera, ein Laden, der uns stark an MediaMarkt erinnert.

 

Unser Set enthält eine Waschmaschine, einen großen (!) Kühlschrank, einen Staubsauger, eine Ofen-Mikrowelle und einen Reiskocher (der war in jedem Set dabei). 

 

Die Bestellung funktionierte eigentlich ähnlich wie bei Nitori, aber ohne englisch-sprachige Hilfe waren wir auf einmal ziemlich aufgeschmissen: Zum Kauf braucht man eine Kundenkarte und für deren Registrierung eine App, die nur in App-Stores von japanischen Mobilfunkanbietern zu finden ist, auf unseren Smartphones also noch nicht. Alternativ registriert man sich auf der Website, die scheinbar auf Englisch verfügbar ist, bei der Registrierung dann aber wieder auf Japanisch wechselt. Yeah! Besonders lustig wird es dann, wenn die Fehlermeldung kommt, dass man nicht alle Passwort-Anforderungen erfüllt. Das kann einen ja schon auf Deutsch wahnsinnig machen.

 

Aber auch diese Hürde haben wir gemeistert (Sonderzeichen waren im Passwort nicht erlaubt) und unser Welcome-Set erfolgreich bestellt.

 

Sowohl bei Nitori als auch bei Big Camera werden wir am Tag der Lieferung noch telefonisch über den genauen Zeitslot informiert. Ich weiß nur nicht, ob wir den verstehen werden.


Der Umzug (also Einzug) steht an

Die Möbel werden am 6. und 7. Februar geliefert, denn morgen dürfen wir endlich unsere Wohnung beziehen!

Wir verlassen unser Hotelzimmer, mit dem wir uns mittlerweile doch ganz gut arrangiert hatten.

 

Für den Umzug hat Uli zwei Tage frei und dann ist auch gleich Wochenende, wir haben also 4 Tage, an denen wir so einiges erledigen wollen: unser Zeug in die Wohnung schaffen, unsere Möbel in Empfang nehmen, uns bei der Stadt anmelden, uns um Wasser, Strom, Internet & Co. kümmern ... und unser neues Zuhause inkl. Stadtviertel erkunden.

Sobald wir dann offiziell mit Adresse gemeldet sind, können wir auch endlich einen Bankaccount beantragen, einen Handyvertrag abschließen und meine Arbeitserlaubis voranbringen.


Entspannung

Gerade überwiegt der Arbeitsanteil gegenüber dem Urlaubsanteil. Trotzdem nutzen wir jede Gelegenheit, Kraft zu tanken und die Sonne zu genießen.

 

Dafür hat Tokyo jede Menge Parks und Gärten zu bieten.

  • Die öffentlichen Parks (jap. 公園: "koen" = "öffentlich" + "Garten") sind meistens kostenlos, haben aber nicht so viel Grünanteil.
  • Die richtigen Gärten (jap. 園: "en" = "Garten") kosten oft Eintritt, sind aber auch besonders schön und genau so, wie man sich japanische Gärten vorstellt, wie z.B. der "Rikugi-en", ein Wandel-Garten im Norden Tokyos aus der Edo-Epoche.