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Hiroshima: Reise in die Vergangenheit?


Hiroshima: 75 Jahre nach dem Atombombenabwurf


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Was passiert schon in einer Minute

Wie wär's mit verbluten?

Was passiert schon in einer Minute

Die Sonne geht auf in ner guten

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(Fynn Kliemann: Eine Minute)


Vor 75 Jahren erlangte die Stadt Hiroshima traurige Berühmtheit, als sie Ziel der ersten in einem Krieg eingesetzten Kernwaffe wurde. Beim Atombombenabwurf auf Hiroshima am 6. August 1945 um 8:15 Uhr starben ca. 75.000 Menschen bei der Detonation und über 150.000 weitere an den Folgen.


Als ich Freunden und Bekannten von unserem verlängerten Wochenende in Hiroshima erzählte, merkte ich, dass wir Deutschen zwar über den 2. Weltkrieg gut informiert sind und evtl. auch noch über den Atombombenabwurf auf Hiroshima, aber wenig über die Gegenwart der Stadt Hiroshima wissen.

Viele stellen sich Hiroshima als Niemandsland mit hoher Strahlenbelastung vor. Ein Ort mit einer großen Sperrzone, in der niemand lebt, sowie man es von Orten kennt, an denen es ein Nuklear-Unglück gab.

 

Das trifft auf Hiroshima nicht zu: In Hiroshima leben aktuell mehr als 1 Mio. Menschen und die nukleare Strahlung ist nicht höher als in jeder anderen Stadt. Hiroshima hat so viel mehr zu bieten als seine traurige Vergangenheit.


Friedenspark Hiroshima

Dennoch gehört es natürlich zur Pflicht, sich beim Besuch der Stadt Hiroshima mit der Vergangenheit zu beschäftigen.

 

Der in dem 50ern erbaute Friedenspark im Herzen der Stadt erinnert an das unsägliche Leid, das der 2. Weltkrieg in Hiroshima und auf der ganzen Welt verursacht hat, und dient als Mahnmal des Friedens. Das große Areal besteht aus über 70 einzelnen Monumenten und Gedenkstätten, z.B.:

  • Atombomben-Kuppel ("A-bomb-Dome"): Wenige Meter vom Ground Zero entfernt, erinnert die Ruine des ehemaligen Gebäudes der Industrie- und Handelskammer wie kein anderer Ort an den Atombombenabwurf. Da die Druckwelle das Gebäude beinahe senkrecht erreicht hatte, wurde das Gebäude im Gegensatz zu 90% der anderen Gebäude der Stadt nicht komplett zerstört.
  • Kenotaph: Das Denkmal beinhaltet eine Liste mit den Namen aller Opfer der Atombombe sowie die Inschrift: "Ruhet in Frieden. Das Böse darf sich nie wiederholen."
  • Nationale Friedensgedenkhalle: Bildschirme und Informationstafeln mit Porträts und Namen erinnern an die Opfer der Atombombe.
  • Friedensglocke: Das Läuten der Glocke soll die Menschen an die Bedeutung des Friedens erinnern.
  • Kinder-Friedensmonument: Das Kinderdenkmal wurde dem Mädchen Sadako Sasaki gewidmet, das im Alter von 12 Jahren an den Spätfolgen der Verstrahlung starb und durch das Falten von Hunderten Origami-Kranichen weltweit bekannt wurde. 
  • Flamme des Friedens: Das immer brennende Feuer brennt seit dem 1. August 1964 und wird so lange weiter brennen, bis alle Atomwaffen von der Erde verschwunden sind.
  • Friedensmuseum Hiroshima: Das Museum dokumentiert den Atombombenabwurf und seine Folgen. Ich weiß nicht, was ich schlimmer empfand: Der Granitblock mit einem dunklen Fleck – dem einzigen Überrest eines Menschen, der sich in direkter Nähe zur Explosion befand – oder die Bilder der Überlebenden, die mit all ihren Verletzungen weiterleben durften bzw. mussten. 

Burg Hiroshima

Die Burg Hiroshima (jap. (広島城, Hiroshima-jō), auch Karpfenburg genannt, wurde durch die Atombombe zerstört und 1958 wieder neu errichtet.


Sake-Town Saijo

Östlich der Stadt Hiroshima befindet sich das idyllische Örtchen Saijo, ein Dorf, in der sich einige Sake-Brauereien befinden, alle fußläufig voneinander entfernt. Während Brauerei-Führungen wegen Corona zurzeit nicht stattfinden konnten, boten die Brauereien dennoch Sake-Tastings an.

Insgesamt schafften wir 5 Brauereien, probierten ca. 12 verschiedene Sakes, u.a. den goldenen Sake "Kamotsuru Tokusei" (den Barack Obama bei seinem Besuch in Hiroshima zusammen mit Shinzo Abe getrunken hatte) und deckten uns mit ein paar Flaschen für unsere Wohnung in Tokyo ein.


Kulinarische Spezialitäten

Neben Sake hat Hiroshima einige lokale Küchenspezialitäten zu bieten. Die bekanntesten sind:

  • Okonomiyaki nach Hiroshima-Art: Für die Hiroshima-Variante der "japanische Pizza" oder des "japanischen Pfannkuchens" werden zusätzlich zu den vielen anderen Zutaten Yakisoba-Nudeln hinzugefügt.
  • Etwa 60% der japanischen Austern werden in der Region Hiroshima gezüchtet. Man kann in der Gegend in jeder erdenklichen Form essen: roh, gegrillt, geräuchert, gekocht, gedämpft, frittiert, gebacken, ...
  • Ob gefüllt mit Bohnenpaste, Vanille-Pudding, Reis, Käse oder Austern – bei den Momijimanju ist die Form entscheidend: Die Ahornblätter erinnern an das schöne Herbstlaub des Momijidani-Parks.

Park Shukkei-en

Im Shukkei-en ("Miniatur-Landschafts-Garten") werden typische Landschaften Japans in verkleinerter Form dargestellt, ob Wälder, Berge oder Reisfelder. So konnten wir hier endlich den (Miniatur)-Fuji erklimmen, Karpfen füttern und einen Bambuswald betreten.


Insel Miyajima

Die Insel Miyajima („Schrein-Insel“; eigentlicher Name: Itsukushima) befindet sich ca. 60 Minuten per Tram von Hiroshima entfernt und zählt zu den "Nihon sankei" – den 3 schönsten Landschaften Japans: drei auserwählte Küstenlandschaften mit sanften Meeres-Land-Übergängen, die die japanische Malerei und Poesie geprägt haben. 

Die Schönheit der Insel kommt nicht zuletzt durch den Itsukushima-Schrein zustande, dessen leuchtend-oranges Torii (bei Flut) mitten im Meer steht und dort über dem Wasser zu schweben scheint. Es ist es eines der meistfotografierten Wahrzeichen Japans und zählt zum UNESCO-Weltkulturerbe.


Leider wird das Torii seit über einem Jahr restauriert und ist seitdem verhüllt. Erwartung vs. Realität:

Der Rest der Insel ist aber ebenfalls wunderschön.
Auf Miyajima ist verboten, Bäume zu fällen, weshalb hier noch viel "Urwald" und mit ihm freilaufende Rehe und Hirsche anzutreffen sind.

Besonders beeindruckend war der Tempel Daisho-in mit den über 500 buddhistischen Rakan-Statuen. Jede Figur ist ein Einzelstück und unterscheidet sich von den anderen. Die gestrickten Mützen sind Spenden, die auf eine alte Kindergeschichte zurückgehen:

"Am Tag vor dem Neujahrsfest verkaufte ein armer alter Hutmacher auf dem Markt keinen einzigen Hut. Auf dem Heimweg fing es stark zu schneien an. Da platzierte er die Hüte auf den Köpfen von Rakan-Statuen, um sie vor dem Schnee zu schützen und warmzuhalten. Ohne Hut und Geld kam er nach Hause. Am nächsten Tag fanden der Hutmacher und seine Frau einen Tisch voller Speisen und Geschenke für das Neujahrsfest vor – der Dank der Steinfiguren."


Berg Misen

Am Tempel Daisho-in startet der Wanderweg auf den Mount Misen, dem mit 535 Metern höchsten Punkt der Insel Miyajima. Auf dem Weg zum Gipfel kann man die wilde Natur der Insel genießen und oben angekommen den Ausblick auf die Umgebung samt Hiroshima bestaunen. Natürlich gibt es auch auf dem Gipfel des Bergs W-LAN.


Es führt auch eine Seilbahn auf den Berg, die wir für den Rückweg nutzten.


Onsen

Nach der Wanderung führte uns der Weg natürlich direkt ins Onsen. Wir hatten diesmal das Glück eines Freiluft-Onsens im obersten Stockwerk unseres Hotels.

Was uns erst diesmal so richtig gewusst wurde (Uli und ich machten die gleichen Beobachtungen in unseren getrennten Bereichen): Die Japaner und Japanerinnen verbringen 20 oder 30 Minuten mit der Körperreinigung, bevor sie sich für 5 Minuten ins Bad setzen und das Onsen dann wieder verlassen.

Wir würden es genau anders herum machen.
Aber wir bemühen uns mittlerweile darum, mehr Ruhe bei der Reinigung aufzubringen und dadurch auch mehr von der Gelassenheit und Geduld der Japaner zu übernehmen.


Himeji Castle

Auf der Rückfahrt nach Tokyo legten wir noch einen kleinen Zwischenstopp in Himeji ein, um die dortige Märchenburg zu bewundern. Die Burg Himeji wird auch Shirasagijō („Burg des weißen Reihers“) genannt, da ihre geschwungenen weißen Mauern und Dächer an einen Vogel erinnern, der sich in die Lüfte schwingt.

Sie ist eines der ältesten erhaltenen Bauwerke aus dem Japan des 17. Jahrhunderts und gilt als schönstes Beispiel des japanischen Burgenbaus. Zusätzlich ist sie auch noch so hoch entwickelt, dass sie als uneinnehmbar gilt.


Fazit:
Neben der eindrucksvollen Aufbereitung des Atombombenabwurfs hat Hiroshima einiges zu bieten, was das Reiseherz begehrt: von Natur und Kultur über Kulinarik bis hin zur Architektur.


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Kommentare: 2
  • #1

    Lissi (Samstag, 31 Oktober 2020 13:41)

    Immer wieder schön, deine Berichte zu lesen.

  • #2

    Maria (Samstag, 31 Oktober 2020 14:41)

    Sehr beeindruckend, dieses Hiroshima. Ob es wohl helfen würde, einen verpflichtenden jährlichen Besuch ohne Kameras für jeden dieser Staatschefs einzuführen? Könnte Wirkung zeigen. Man muss hoffen.