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Die japanische Grammatik


Wie höflich ist höflich genug?


🎶

Da ist ein großes Fragezeichen, 

direkt in dei'm Gesicht.

Ich bin nicht kompliziert, 

du verstehst mich nur nicht.

🎶

(Namika: Kompliziert)


Bevor ich euch etwas über die Grammatik des Japanischen "erzähle", noch eine kleine Randbemerkung:

 

Auch wenn ich mittlerweile seit über einem Jahr Japanisch lerne, bin ich immer noch ein Japanisch-Anfänger. Deshalb kann ich euch nur bis zu meinem aktuellen Wissensstand über die japanische Sprache berichten.


Einfacher als die deutsche Grammatik

Da die japanischen Schriftsysteme und die Vokabel-Masse im Japanischen ja schon schwierig genug sind, gibt es eine beruhigende Info: Die japanische Grammatik gilt als einfacher und logischer als viele andere Sprachen – vor allem als das Deutsche.

 

Im Deutschen sind es vor allem das grammatische Geschlecht, der Plural sowie die 4 Fälle und die Deklinationen, die das Erlernen der deutschen Sprache erschweren. Und vor allem die Tatsache, dass es für alle genannten Problemfälle keine klaren Regeln und viele Ausnahmen gibt.

 

Japanisch ist (zumindest was das betrifft) sehr smart: Es gibt kein grammatikalisches Geschlecht, keine Artikel, keine Unterscheidung von Einzahl und Mehrzahl, keine Pronomen und auch keine Deklination aufgrund eines Kasus.


Der japanische Satz und die Wortstellung

Auch die Satzstellung im Japanischen ist recht einfach:

 

Ein japanischer Satz benötigt nur ein Verb, um vollständig zu sein. Gibt es noch weitere Satzglieder, werden sie vorangestellt. Denn das wichtigste an der japanischen Satzstellung ist: das Prädikat steht immer an der letzten Stelle.

 

Wie im Deutschen beginnt man einen Satz gewöhnlich mit dem Subjekt, dann folgenden die Objekte und zum Schluss das Prädikat. Je nachdem, was man betonen möchte, kann man die Reihenfolge verändern und zum Beispiel die Zeitangabe ganz nach vorne stellen.

 

Nehmen wir als Beispielsatz "Am Sonntag gehe ich mit meiner Mutter ins Kino."

Japanisch nichiyoobi ni (watashi wa) haha to eigakan ni ikimasu.
Deutsch am Sonntag ich mit meiner Mutter ins Kino gehe

(Dadurch, dass das Verb im Japanischen immer an der letzten Stelle steht, ähnelt der japanische Satz der deutschen Satzstellung bei einem Nebensatz, der mit "dass" eingeleitet wird: "dass ich am Sonntag mit meiner Mutter ins Kino gehe.")

 

Falls der Satz keine Aussage ausdrücken soll, sondern stattdessen eine Frage, hängt man an den japanischen Satz  einfach ganz am Ende noch ein "ka?" an. Der Rest des Satzes bleibt gleich. Es ändert sich nicht wie im Deutschen die komplette Satzstellung. "Gehe ich am Sonntag mit meiner Mutter ins Kino?"

Japanisch nichiyoobi ni (watashi wa) haha to eigakan ni ikimasu-ka.

Das Schöne am Japanischen ist: Während sich das Verb im Deutschen je nach Subjekt anpasst ("ich gehe", "du gehst", "er geht", ...), bleibt es im Japanischen gleich: Gehen heißt immer "ikimasu".

 

"Am Sonntag geht Uli mit seiner Mutter ins Kino." heißt auf Japanisch deshalb:

Japanisch nichiyoobi ni Uli-san wa okaasan to eigakan ni ikimasu.
Deutsch am Sonntag Uli mit seiner Mutter ins Kino geht

Warum sich die Bezeichnung für Mutter im Beispielsatz ändert, erfahrt ihr in meinem Artikel über den japanischen Wortschatz.


Kontext ist alles

Ihr fragt euch bestimmt (ich gehe einfach davor aus, dass ihr jeden meiner Artikel Wort für Wort liest), warum ich das Subjekt "watashi wa" im Beispielsatz oben eingeklammert habe. Sehr gute Frage, minna-san! Und schon geht es los mit einer ersten grammatischen Besonderheit im Japanischen:

 

Eigentlich lässt man im Japanischen das Subjekt "watashi" (= ich) immer weg, da durch den Kontext der Situation klar ist, um wen es in dem Satz geht. Würde man jemanden anderen meinen, würde es man ja sagen.

 

Dem Phänomen des Kontexts begegnet man im Japanischen ständig: Um japanische Sätze sprechen oder verstehen zu können, nutzt man die Hintergrundinformationen, die dem Sprecher und Zuhörer zur Verfügung stehen. Aus dem Deutschen und Englischen sind wir dies nur leider gar nicht gewohnt, da unsere Sprachen so aufgebaut sind, dass der Zuhörer keinen Kontext zum Gehörten benötigt.

 

Und weil man sich im Japanischen scheinbar immer darauf verlassen kann, dass der Kontext einem im Zweifel weiterhilft, gibt es einige japanische Wörter, die verschiedene Bedeutungen haben – je nach Kontext eben. Zum Beispiel ist das japanische Wort für das Pronomen "sie" (weibliche Einzahl) das gleiche Wort wie für "feste Freundin" und lautet: "kanojo". Aus dem Kontext heraus versteht man, welches von beiden gemeint ist. Die Frage "kanojo desu ka?" macht als "Ist sie sie?" keinen Sinn, also ist "Ist sie deine Freundin?" gemeint.

 

Nicht nur bei einzelnen Worten, sondern häufig auch bei Redewendungen oder praktischen Ausdrücken wird der Kontext benötigt, um kleine Nuancen in der Bedeutung zu unterscheiden. So kann das sehr praktische Wort "daijoobu" je nach Situation "danke", "nein danke", "passt schon", "wenn`s sein muss" oder "lass mich in Ruhe" bedeuten. Wobei wir das ja vom bayerischen Wort "passt" ebenfalls gewohnt sind.

 

Der genutzte Kontext ist auch der Grund dafür, warum ein japanischer Satz mit nur einem einzigen Verb auskommt. Beim Satz "tabemasu." (= essen), muss der Kontext darüber Aufschluss geben, ob ich einen Kuchen esse, der Hund einen Knochen oder die Klasse ihr PausenbrotDie japanische Sprache kommt deshalb mit weniger Wörtern aus, als wenn der gleiche Inhalt in einer anderen Sprache ausgedrückt wird. Wenn man mal darauf achtet (und Japanisch kann, haha), wird man feststellen, dass die englischen Untertitel bei japanischen Filmen viel länger sind, als das, was im Film gesprochen wird.


Kleine Helferlein: die Partikel

Am Beispielsatz oben sind euch bestimmt auch die kleinen Wörter zwischen den Satzgliedern aufgefallen: wa, ga, no, to, ni, ...

 

Diese sogenannten Partikel definieren die Beziehung zwischen den einzelnen Satzgliedern näher und klären z.B. wer, mit wem, was, wo tut. Sie kennzeichnen Richtungen, Besitzzugehörigkeiten, Thema, Betonung usw. Im Gegensatz zum Deutschen, wo der Artikel oder die Präposition immer vor dem Wort steht, steht das Partikel im Japanischen immer hinter dem dazugehörigen Wort.

 

Für die Nutzung der Partikel gibt es klare Regeln, aber wie so oft auch einige Ausnahmen der Regeln. Deshalb ist es manchmal recht mühsam, beim Lernen von Nomen oder Verben das entsprechende Partikel direkt mitzulernen. Jedoch erleichtern einem die Partikel das Lesen und Verstehen japanischer Sätze ungemein. Noch dazu sind sie immer in Hiragana geschrieben und kennzeichnen so die Grenzen zwischen den einzelnen Kanji-Wörtern. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar. Denn so sieht der Beispielsatz in japanischer Schrift aus: 日曜日に私は母と映画に行きます。

Japanisch 日曜日に (私は) 母と 映画に 行きます。

Japanische

Aussprache

nichiyoobi (watashi wa) haha to eigakan ni ikimasu.
Deutsch am Sonntag ich mit meiner Mutter ins Kino gehe

Japanische Wörter werden immer länger

Zwar gibt es im Japanischen keine Änderungen von Nomen, Adjektiven oder Verben durch Deklinationen, wie wir sie aus dem Deutschen kennen, jedoch bedeutet das nicht, dass sich die japanischen Wörter nicht auch verändern würden.

 

Denn das Japanische ist trotz allem eine agglutinierende (= anklebende) Sprache: Durch das Anhängen von Affixen an den Wortstamm werden grammatische Funktionen ausgedrückt: So drückt die Endung "-tai" nach dem Verbstamm einen Wunsch aus, die Endung -tsumori" einen Plan und die längste Endung, die ich momentan kenne "-nakerebaikemasen" eine Pflicht.

      

Auch "gewöhnliche" grammatische Funktionen wie die Vergangenheits- oder Negativform werden bei Adjektiven und Verben im Japanischen durch das Anhängen verschiedener Affixe gelöst. Dabei bleibt es nicht bei einer einzigen Silbe, sondern auch mehrere Affixe können aneinandergereiht werden.

 

So wird das Verb "kai-masu" (= kaufen) beispielsweise zu "kai-ta-kuna-katta", wenn man ausdrücken möchte, dass man "etwas nicht kaufen wollte":

Silbe kai- ta- kuna- katta
Funktion Verbstamm Wunschform Verneinung  Vergangenheit

Da es sich hierbei nicht um spezielle Inhalte, sondern ganz gewöhnliche grammatische Funktionen handelt, die man ständig benötigt, machen diese grammatischen Wortendungen einen Großteil des Japanisch-Lernens aus.

 

Um die Wörter korrekt zu konjugieren, gibt es verschiedene Gruppen von Verben und Adjektiven, für die unterschiedliche Regeln gelten. Das Erlernen und Üben dieser Gruppen und Endungen ist unabdingbar, aber leider sehr beschwerlich.


Wie höflich ist höflich?

Hat man es dann endlich geschafft, die Grundregeln der japanischen Grammatik zu verstehen und kann beispielsweise fehlerlos auszudrücken, was man wann gerne oder weniger gerne macht oder gemacht hat, kommt das böse Erwachen. Alle grammatischen Endungen und Regeln, die man bisher gelernt hat, muss man nochmal ein 2. Mal komplett anders lernen: Denn im Japanischen wird zwischen einer Alltagssprache und einer höflichen Sprache unterschieden.

 

Die Alltagssprache nutzt man z.B. für Unterhaltungen mit Freunden und Familie, die höfliche Sprache im beruflichen Kontext oder in Gesprächen mit Fremden und sozial höher gestellten Personen. (Und bei der höflichen Sprache wird dann wohl nochmal zwischen einer Respektform und einer Bescheidenheitsform unterschieden, aber so weit bin ich noch nicht mit meinen Japanisch-Skills.)

 

Die Unterscheidung zwischen der Alltags- und Höflichkeitssprache betrifft nicht nur jegliche Grammatik, nein, sie betrifft auch den Wortschatz massiv. Sogar für Wörter wie "ja" und "nein" gibt es mindestens drei verschiedene Varianten, je nachdem wer mit wem spricht (mehr dazu erfahrt ihr auch in meinem Artikel über den japanischen Wortschatz).

 

Nehmen wir zur Verdeutlichung ein einfaches Beispiel:

Deutsch Achso? Ja, ich komme mit. Entschuldigung, wann?

Japanisch

(Alltagssprache)

Soo ka? Un, iku. Gomen, itsu?

Japanisch

(Höfliche Sprache)

Soo des ka.

Hai, /

(als Frau:) Ee,

ikimasu. Sumimasen, itsu des ka.

Selbst die Intonation der Wörter am Satzende ändert sich, wie ihr an den Fragezeichen erkennen könnt. In der höflichen Sprache gibt es übrigens keine Fragezeichen, denn das Partikel "-ka" kennzeichnet dort eine Frage als solches.

 

Und auch bei der japanischen Anrede machen sich die Ebenen der Höflichkeit bemerkbar.

  • Als Äquivalent zur deutschen Anrede "Frau/Herr" oder dem englischen "Ms./Mr." hängt man im Japanischen normalerweise ein "-san" hinter den Nachnamen. Während dies aber im Deutschen und Englischen nur beim Nachnamen gemacht wird, wird es im Japanischen häufig auch beim Vornamen angewendet (vor allem bei Nicht-Japanern). Denn einfach nur den Namen zu nennen, gilt in Japan als äußerst unhöflich. Die Namen meiner Mitschüler in der Sprachschule habe ich im Unterricht immer nur mit der Endung "-san" gehört und genutzt, deshalb gehört diese Endung für mich irgendwie zu deren Namen. (In meinem Handy sind sie übrigens auch mit der Endung "-san" eingespeichert.)
  • Aber Achtung (eine beliebte Fehlerquelle bei Japanisch-Anfängern): Bei seinem eigenen Namen darf man kein "-san" anhängen. Das passiert aber leicht, weil man es ja gewohnt ist, es an jeden Namen anzuhängen und man selber die ganze Zeit "Merani-san" genannt wird.
  • Es bleibt aber (natürlich) nicht bei der Endung "-san". Neben ihr gibt es noch einige andere Anrede-Versionen, z.B. "-kun" (für die vertraute Ansprache von Männern), "-chan" (das Äquivalent für Mädchen oder Frauen) oder "-sama" für eine extrem höfliche Anrede, die schon fast ein göttlicher Ansprache gleicht, schließlich heißt "-sama" übersetzt "Gott".
  • Jemand anderen mit "du" oder "Sie" anzureden, gilt im Japanischen als sehr unhöflich. Stattdessen wird der Name genutzt. Also statt "Kommst du mit zum Essen?", würde ich Uli auf Japanisch fragen "Kommt Uli-san mit zum Essen?" Dadurch wird das Pronomen "du" (jap. "anata") eigentlich fast nicht genutzt. Im Japanischen würde ein häufiges Nennen von "du" implizieren, dass man den anderen irgendetwas bezichtigt und sozusagen seine Schuld betont. Schon lustig, dass man das im Deutschen mit "Du, du du!" genauso ausdrücken kann, wenn auch spaßiger gemeint.
  • Die Anrede von Familienmitgliedern ist nochmal extra schwierig, weil man dort zwischen den eigenen und einer fremden Familie in verschiedenen Höflichkeitsstufen unterscheidet (mehr dazu im Beitrag über den japanischen Wortschatz).

Halten wir also zusammenfassend fest:

 

Auch wenn die japanische Grammatik in ihrer Satzstruktur und ihrem Grammatik-Aufbau als logisch und einfach gilt, macht das Lernen der zig grammatischen Wortendungen, die notwendige Nutzung des Kontexts sowie die Unterscheidung verschiedener Höflichkeitsniveaus die japanische-Sprache aus meiner (deutschen) Sicht dennoch zu einer äußerst komplizierten Sprache.


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