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Schwierigkeiten beim Erlernen der japanischen Sprache


Wie schwierig ist es für einen Anfänger oder eine Anfängerin, Japanisch zu lernen?


🎶

Wer braucht schon Worte, wenn er küssen kann.

Wer braucht schon Worte, wenn er Augen hat zu seh'n.

Wer braucht schon Worte, wenn er riechen kann.

Wer braucht schon Worte, wenn er Hände hat,

wenn er Hände hat zum Fühl'n.

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(Philipp Poisel: Wer braucht schon Worte)


Wie schwierig es ist, Japanisch zu lernen?

Die kurze Antwort schon mal vorweg: Sehr schwierig. Also auf zum nächsten Blogartikel?

 

Nein, halt, ich erkläre euch gerne, warum ich das so empfinde.


Japanisch lernen – just for fun

Eine kleine Anekdote zu Beginn:

 

Als Uli und ich im April 2019 zum ersten Mal unseren Anfänger-Japanisch-Kurs in München besuchten, bestand unsere Lerngruppe in der ersten Unterrichtsstunde aus insgesamt 9 Personen.

 

8 Wochen später waren davon noch genau 4 Teilnehmer*innen übrig. Dabei war der Kurs nicht sonderlich günstig, sondern im Gegenteil: Alle Teilnehmer*innen hatten vorab einen nicht unerheblichen Beitrag für 3 Monate im Voraus gezahlt.

 

Von den 9 Personen aus der 1. Stunde waren 4 dazu "verpflichtet" Japanisch zu lernen, weil sie nach Japan ziehen wollten bzw. beruflich in Japan arbeiten mussten, die anderen 5 wollten es "einfach nur so" lernen (Begeisterung für japanische Mangas, Begeisterung für japanische Frauen, beides, ...) Ich will hier ja nicht auf Klischees rumreiten, aber 4 der 5 Personen waren Männer mit langen Haaren.

 

3x dürft ihr raten, welche 4 der 9 Personen in der letzten Stunde noch übrig waren ...

Richtig, die 5 Just-for-fun-Lernenden sind irgendwann nicht mehr mitgekommen und haben den Kurs abgebrochen.

      

Doch worin liegt die Ursache?


Schwierigkeit Nr. 1: Zu viele Baustellen auf einmal

Bei einer uns so unbekannten Sprache wie dem Japanischen begegnet einem nicht nur ein einzelnen Lernbereich, sondern direkt 3 auf einmal: Wortschatz, Schrift und Grammatik. Und jeder dieser 3 Bereiche hat es in sich (siehe die einzelnen Artikel dazu). Vor allem das Lernen der Schrift mit den 3 verschiedenen Schriftsystemen, die man ja nicht nur lesen, sondern auch schreiben können sollte, ist ja schon ein Fulltimejob. Und alle drei Bereiche möchte man ja nicht nur in der Theorie verstehen, sondern im Lesen, Schreiben, Hören und Sprechen richtig anwenden.

 

Wenn man dann an einer Sprachschule mit einem klassischen Lehrbuch startet, bedeutet das, dass man alle drei Baustellen gleichzeitig angehen muss:

  1. Mindestens eine Schriftart (Hiragana), oft auch zusätzlich Katakana, bildet meist die Grundlage,
  2. ohne Vokabeln kommt keine Sprache aus und
  3. um die neu erlernten Wörter richtig in Sätze einbetten zu können (als Sprachschüler*in will man ja auch schnell "was auf Japanisch sagen" können), kommt ein traditioneller Sprachkurs auch nicht ohne Grammatik-Einheiten aus.

Das bedeutete für unseren Sprachkurs in Deutschland, der einmal Woche stattfand: Man musste in seiner Freizeit richtig ranklotzen, um nicht den Anschluss zu verlieren. Denn ohne die japanische Schrift lesen zu können, war man im Unterricht ziemlich aufgeschmissen, weil man reihum vorlesen musste, und um die Grammatik-Aufgaben lösen zu können (auch das geschah reihum), brauchte man das Vokabel-Wissen (oder eine gute Technik, um diese schnell nachschauen zu können).

 

Man merkte richtig, wie die Schüler*innen sich unterschiedliche Lern-Prioritäten gesetzt hatten. Der eine konnte relativ schnell flüssig lesen, die andere hatte immer die passenden Vokabeln drauf. Nach und nach verließen uns aber diejenigen Schüler*innen, die es bei einem der drei Bereiche nicht mehr schafften mit dem Rest mitzuhalten. Denn keiner der drei Bereiche ist endlich: Jede Woche kamen neue Schriftzeichen, neue Wörter und neue grammatische Regelwerke dazu.

 

Vielleicht war unser Lehrer in Deutschland auch nicht der beste (was durchaus möglich ist), aber natürlich will man beim Sprachen-Lernen auch Fortschritte erzielen und das klappt im Japanischen eben nur, wenn man an allen drei Baustellen gleichzeitig arbeitet. Aber gerade am Anfang kann einen das ziemlich überfordern.


Schwierigkeit Nr. 2: "Einfache", praktische Wörter und Sätze lernen wollen

Wenn man eine neue Sprache lernt, möchte man eigentlich ziemlich schnell ein paar praktische Touri-Wörter wie "ja", "danke" oder "Mein Name ist ..." draufhaben und dementsprechend beginnen auch viele Lehrbücher mit diesen scheinbar einfachen Redewendungen.

 

Aber leider sind das keine Begriffe, die im Japanischen so einfach auszudrücken sind wie in anderen Sprachen.

 

Um sich beispielsweise im Japanischen namentlich vorzustellen, muss man erstmal wissen, dass man das Subjekt "ich" im Japanischen eigentlich gar nicht nutzt, da es durch den Kontext schon impliziert wird. Wenn man also "watashi wa ..." (= "Ich bin ...") sagen würde, wäre das nicht sonderlich Japanisch. Aber einfach nur seinen Namen zu nennen, käme uns auch nicht richtig vor. Und so funktioniert es auch im Japanischen nicht, denn: Die japanische Selbst-Vorstellung ist äußerst komplex – sowohl was die Sprache als auch die Gesten (wie tief man sich verbeugt, wie man die Visitenkarten austauscht, ...) betrifft. Um sich in korrektem Japanisch vorzustellen, nutzt man eine spezielle Gruß-Formel, die übersetzt so viel bedeutet, wie: "Es ist das erste Mal. Mein Name ist XY (zuerst wird der Nachname genannt). Seien Sie mir bitte wohlgesonnen." (Natürlich gibt es verschiedene Höflichkeits-Varianten dieser Formel, je nachdem wer mit wem bei welcher Gelegenheit spricht.) Und auf Japanisch heißt das Ganze dann z.B. "Hajimemashite. Schaller Melanie to moo shimasu. Yoroshiku onegaishimasu." Also nicht gerade ein "einfacher" Begriff, der uns so leicht von den Lippen geht wie "My name is ...".

 

Auch für andere "einfache" Alltagsbegriffe wie "ja" und danke" gibt es im Japanischen verschiedene Wörter, die sich in ihrem Höflichkeitsniveau unterscheiden. Lernt man also in der ersten Unterrichtsstunde, dass "danke" auf Japanisch "arigatoo" heißt, stimmt das zwar, aber man weiß zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass man es nur in der Umgangssprache verwendet und es unhöflich wäre, es Fremden gegenüber zu äußern. Stattdessen müsste man dann "Arigatoo gozaimasu." sagen.

 

Also lernt man am Anfang entweder direkt mehrere Varianten für die gleichen Begriffe, was zu merken schier unmöglich ist, oder man läuft Gefahr bei der ersten Anwendung in der Realität die "falsche" Sprache zu benutzen.


Schwierigkeit Nr. 3: Beide japanische Sprachen beherrschen

Die Unterscheidung zwischen der Alltagssprache und der Höflichkeitssprache betrifft nicht nur den japanischen Wortschatz, sondern die komplette Grammatik. Das erschwert vor allem die Anwendung der eigenen Japanisch-Fähigkeiten in der Realität – ob im Verstehen oder Sprechen.  

 

Die klassischen Lehrbücher beginnen mit der Höflichkeitssprache und müssen sich der Kritik aussetzen, dass die "richtige Sprache" der Schüler doch die Alltagssprache sei, da diese unter Freunden, in Filmen, in Liedern oder im Internet usw. benutzt wird. 

Würde man jedoch zuerst nur die Alltagssprache beherrschen, würde man beispielsweise als Tourist gegenüber Fremden (und das sind ja alle oder zumindest die meisten Japaner für einen) sehr unhöflich auftreten.

 

Auch in meinen genutzten Unterrichtsbüchern wurde mit der Höflichkeitssprache begonnen und es hat mir nicht geschadet, da sie im Restaurant oder an ähnlichen Ort immer die passende Wahl ist. Der Zeitpunkt, an dem ich zusätzlich die japanische Alltagssprache gelernt habe, war (zufällig) ziemlich zeitgleich mit dem Moment, an dem ich angefangen habe, englische Serien mit japanischem Untertitel anzuschauen. Dieses Timing war perfekt, denn sonst hätte ich mich doch sehr gewundert, was mit all meinen in der Theorie erlernten grammatischen Endungen in der Realität passiert ist.

 

Wie man es dreht und wendet: Man muss früher oder später beide Sprachen draufhaben.


Schwierigkeit Nr. 4: Nicht nur sprachliche, auch kulturelle Unterschiede

Das Beispiel der Unterscheidung nach Höflichkeitsebenen zeigt, dass auch kulturelle Eigenheiten durchaus Einfluss auf die Sprache haben können. Deshalb bringt es nichts, das Japanische komplett losgelöst von der japanischen Kultur zu lernen.

 

Denn im Japanischen gibt es immer wieder Situationen, die nur durch den kulturellen Hintergrund verständlich werden. Nehmen wir z.B. das Wörtchen "chotto ...". Laut Wörterbuch heißt es übersetzt "ein bisschen." Das stimmt auch, aber (je nach Kontext!) wird der Begriff von den Japanern genutzt, um höflich "Nein" zu sagen. Bei der Frage "Hast du kurz Zeit?" (die Uli beispielsweise einem Kollegen gestellt hat), macht es durchaus einen Unterschied, ob die Antwort "chotto ..." als "Ja, ein bisschen." oder "Nein." interpretiert wird. (Spoiler: Uli hat es als "Ein bisschen." interpretiert; der japanische Kollege hat aber "Nein." gemeint.)

 

Aus diesem Grund muss zu den oben genannten Bausteinen des Japanisch-Lernens eigentlich noch ein zusätzlicher Lernbereich hinzugefügt werden: kulturelle Besonderheiten.


Schwierigkeit Nr. 5: Der Realitätsschock

Dann ist es endlich soweit: Man kommt mit seinen Japanisch-Grundkenntnissen im Land der aufgehenden Sonne an!

Und dann muss man leider feststellen, dass die Realität doch anders aussieht und man mit seinem Basic-Japanisch nicht weit kommt. Warum?

  1. Man kann überhaupt nichts lesen. Auch wenn man sich mühsam durch die Hiragana und Katakana gequält und die ersten Kanji erlernt hat, kann man trotzdem gar nichts lesen, weil in Japan einfach alles in Kanji geschrieben ist.
  2. Man kennt keine passenden Wörter. Nach dem Studium meiner Lehrbücher könnte ich nun einiges über das Leben mit einer Gastfamilie, die Regeln in einer Universität oder über Haustiere erzählen, aber leider will das keiner hören. Stattdessen fehlt mir der Wortschatz, der es mir ermöglicht, im Hotel zu fragen, wie die Klimaanlage funktioniert, und die Antwort zu verstehen oder im Restaurant herauszufinden, ob einem beim Yakiniku gerade die Rinderzunge, die Hühnerherzen oder der gebratene Lauch empfohlen wurde.
  3. Man findet keine Anwendungsmöglichkeiten. Neben fehlender Gelegenheiten für eine Diskussion über Haustiere mangelt es mir außerdem an Situationen, in denen es meine genialen grammatischen Skills einsetzen kann, z.B. jemandem etwas verbieten, jemandem sagen, dass er etwas tun muss oder jemanden höflich fragen, warum er heute so schlecht aussieht, ihm dann Ratschläge geben und anschließend einen Krankenwagen rufen.
  4. Man sagt immer die gleichen Dinge. Ja, ich kann nun hervorragend nach einem Tisch für 2 Personen fragen, anschließend zwei Gerichte, ein Bier und einen Lemon Sour bestellen, dann betonen, wie lecker es war, und anschließend die Rechnung verlangen. Außer es gibt einen Automaten zum Bestellen und Bezahlen. Dann kann ich ausgezeichnet "Hallo., "Danke." und "Tschüss." sagen.
  5. Man findet niemanden zum Reden. Wer es (wie wir) aus seinen Asien-Urlauben gewohnt ist, dass er ständig und überall angequatscht wird, erlebt in Japan einen Kulturschock. Hier gibt es keinen kurzen Plausch mit dem Taxifahrer oder der Restaurant-Bedienung über Bayern München oder deutsches Bier. (Na gut, eine Unterhaltung über Schloss Neuschwanstein und mehrere übers Oktoberfest hab ich dann doch schon geführt.) Die Japaner sind eben viel höflicher und zurückhaltender als andere Kulturen.

Schwierigkeit Nr. 6 bis 100: Eine fremde Sprache lernen

Neben diesen 5 speziellen Schwierigkeiten beim Japanisch-Lernen kommen dann noch die ganz normalen Hürden beim Lernen einer Fremdsprache dazu:

  • man vergisst vieles viel zu schnell wieder
  • fehlende Anwendungsmöglichkeiten
  • Faulheit und Bequemlichkeit
  • zu viele Karteikarten-Türme (welche wiederholt man wann?)
  • Frustration, weil es nicht schnell genug geht
  • Demotivation nach einer zu langen Lernphase
  • Angst, Fehler zu machen, und deshalb Hemmungen beim Sprechen haben
  • Überangebot an Apps und Lehrbüchern
  • Überforderung
  • schlechte Lehrer*innen
  • schlechte Arbeitsmaterialien
  • zu schnell zu viel wollen
  • fehlendes Ziel
  • ...

Tipps zum Japanisch-Lernen

Zum Abschluss würde ich euch gerne ein paar motivierende Tipps zum Japanisch-Lernen geben, aber dazu fühl ich mich noch nicht in der Lage. Ich suche eher noch nach wirkungsvollen Tipps, als welche geben zu können.

 

Klar, könnte ich die allgemeinen Tipps aus dem Internet wiedergeben und beherzigen: "Setz dir ein Ziel!", "Sprich einfach viel Japanisch!", "Such dir einen Tandem-Partner!" "Schau dir japanische Serien an!", "Es gibt da diese coole App XY!", aber diese Tipps lesen sich leichter, als sie umzusetzen sind ...

 

Ich warte noch auf diesem Moment, an dem ich sagen kann "Jetzt läuft es wie von selbst." und nicht mehr diese ständige Angst habe, mein komplettes Japanisch wieder zu vergessen. Solange halte ich mich an die alte Muli-Regel: ein Schritt nach dem anderen.

 

Bis dahin: "Ganbatte kudasai!"

Das heißt übersetzt: "Streng dich bitte an!", aber meint eigentlich (Kontext!): "Viel Erfolg!"


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Kommentare: 1
  • #1

    Mami (Freitag, 05 Juni 2020 16:51)

    Na dann "Ganbatte kudasai!"